Was die Farbe Rosa mit der Zukunft der Kirche zu tun hat.

Maria Herrmann
15 min readMar 10, 2018

Pastoraltag der Ehrenamtlichen in der Diözese Speyer 11.03.2018

(Einige Elemente sind dem Vortrag »Von den Talenten« entnommen, anderes findet sich schon bei »Das rosa Trotzdem«. Der Text des Bibelteiles war der Evangeliumstext vom kommenden Sonntag: Joh 3,14–21. Es gilt das gesprochene Wort.)

Sehr geehrte Bischöfe, liebe Schwestern und Brüder.

Vielen Dank für die Einladung, die Vorstellung und das herzliche Willkommen. Ich freue mich heute mit Ihnen an diesem Tag ein bisschen von Ihnen und Ihren Fragen zu hören und wurde gebeten, vorher ein paar meiner Fragen vorzustellen. Das will ich gerne tun.

(Vorstellung gekürzt…) Seit 2012 arbeite ich für das Bistum Hildesheim und bin Teil eines Teams, das sich mit der Zukunft der Kirche beschäftigt. Kirche². Wir arbeiten dabei grundlegend ökumenisch. Denn wir sind fest davon überzeugt, dass wir gemeinsam als Christinnen und Christen in die Welt gesandt sind. Mit Kolleginnen und Kollegen aus der Landeskirche Hannovers fragen wir uns bei Kirche², was wir voneinander lernen können, was wir von anderen lernen können und wie wir heute schon der Zukunft auf die Spur kommen.

Wie sieht die Kirche der Zukunft aus?

Welche Rolle spielt dabei Mission, wie verstehen wir dieses Wort genau?

Welche Rolle spielt in Zukunft die Beteiligung möglichst vieler?

Und wie kann das gehen, mit der Ökumene?

Dabei sind Lernerfahrungen an anderen Orten, wie die, von denen auch wir heute hören ganz wichtig,

denn sie irritieren,

sind manchmal unbequem.

Sie lassen aufhorchen

und manchmal sogar auf-hören. Im besten Sinn.

An unseren Fragen arbeiten wir bei Kirche² in unterschiedlicher Weise. Wir geben Kurse, veranstalten Tagungen, Konferenzen und Kongresse, oder initiieren einfach durch Begegnung mit anderen neue Perspektiven.

Womit wir aber meistens, wenn nicht sogar immer beginnen, ist der Blick in die Bibel. So wie wir es auch heute hier gemeinsam gemacht haben.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen dabei ging heute morgen. Ich fand dabei vieles verwirrend. So geht es mir mit vielen dieser Gespräche aus dem Johannesevangelium. Anders als die üblichen Stellen, Gespräche und Gleichnisse aus anderen Evangelien sind das ziemlich schwergewichtige Themen, die als solche auch benannt werden: Das Gericht und die Rechtfertigung, wie hier zum Beispiel. Nicht selten kann das Gegenüber von Jesus in den Gesprächen im Johannes Evangelium wenig mit seinen Sätzen anfangen. Es sind richtige Brocken. Theologisch wie menschlich. Und man hat den Eindruck, wenn man die gesamte Stelle liest, dass Jesus und in diesem Fall Nikodemus aneinander vorbeireden.

In der Theologie spricht man in diesem Zusammenhang auch von den Johanneischen Missverständnissen — man müsste viel dazu sagen, damit es sich besser verstehen lässt. Dabei geht es darum, wie wir Christus verstehen, und dass das Wissen, dass Jesus der Christus ist, erst möglich macht, seine Sätze zu verstehen. Weil das an dieser Stelle heute etwas von unserem Thema ablenkt, will ich mit etwas anderem beginnen.

Denn neben dieser Stelle, gibt es am kommenden Sonntag noch etwas anderes: der kommende Sonntag hat einen besonderen Namen: Er heißt Laetare.

Der Name Laetare leitet sich vom Beginn des lateinischen Eröffnungsgesanges ab: »Lætáre, Ierúsalem, et convéntum fácite…« — »Freu dich, Stadt Jerusalem! Seid fröhlich zusammen mit ihr …«. Der Sonntag Laetare steht in der Mitte der Fastenzeit. So wie man die Mittsommernacht nennt, könnte man diesen Tag Mitfasten nennen. Er hat irgendwie etwas Fröhliches in einer ernsten Zeit. Ein bisschen wie ein Gipfelfest.

Dies wurde und wird manchmal auch heute durch eine abweichende liturgische Farbe im Gottesdienst ausgedrückt: Das Violett der Fastenzeit kann an diesem Tage zu Rosa aufgehellt werden. Das österliche Weiß strahlt schon hindurch. Zu dem Lila das diese Wochen prägt, kommt etwas anderes: Das durch die Perspektive auf das Weiß der Auferstehung aufgehellte Rosa.

Ein guter Freund von mir ist Priester. In jedem Jahr zu »Mitfasten« muss er sich von mir die Frage gefallen lassen, ob er denn diesmal in einem Liturgischen Messgewand in Rosa zelebriert. Ich glaube er findet es nicht so lustig — das hat unterschiedliche Gründe — aber ich mag die Bedeutung dieser Farbe.

Rosa.
Eine Farbe wie eine Verheißung. Ein bisschen wie ein Trotzdem. Ein heiliges Trotzdem.

Trotzdem, machen wir weiter. Denn da kommt noch was. Und zeigt sich vielleicht sogar schon. Trotzdem bleiben wir dran. Auch wenn es gerade nicht so gut läuft. Es richtig schwerfällt.

Ich habe für heute ein paar Gedanken und Fragen zusammengetragen, die ich an dieser Farbe Rosa, an diesem Laetare festmachen will. Ich will Sie damit nicht ärgern, wie meinen Freund.

Ich will mit Ihnen überprüfen, inwieweit das Rosa des kommenden Sonntags auch eine wichtige Farbgebung in Ihrem Bistum sein kann.

Was also hat die Farbe Rosa mit der Zukunft der Kirche, mit der Zukunft Ihres Bistums und der Zukunft Ihrer Gemeinde, Ihrer Pfarrei zu tun?

Zunächst will ich fragen, wie viel Lila in dem Rosa steckt. Lila, als die Farbe der Fastenzeit, der Umkehr, der Überprüfung von Haltungen. Wie viel Umkehr und Umbruch, wie viel Fasten und Überprüfen, wie viel Veränderung und Verwandlung, steckt in dem Rosa dieser Tage hier in Ihrem Bistum?

Danach frage ich, wie viel Weiß in diesem Rosa schon steckt. Wie viel von Ostern, wenn Sie so wollen. Auch wie viel Johannes-Evangelium. Wie viel Perspektive, Aufbruch und Neuanfang.

Und schließlich frage ich ganz kurz danach, ob das rosa wirklich nur etwas für Mädchen ist. Oder für Sommertypen. Für Hauptamtliche. Für Menschen mit Farbmacke. Für Spitzenradfahrer. Oder für Bischöfe. Ich will also fragen, wen das rosa betrifft.

Wie viel Lila steckt im Rosa?

Manchmal fühlt es sich in der Kirche so an, wie wenn sich vor ein paar Jahren ganz leise ein Lila eingeschlichen hat und nicht mehr so richtig gehen will.

Man könnte den Eindruck gewinnen, dass da mal vor unbestimmter Zeit eine Fastenzeit die Kirche betreffend begonnen hat, ohne das klar ist, wann sie ein Ende finden wird.

Auf einmal bricht alles ab oder gerät unter den Prüfstand. Nicht nur eine Fastenzeit, wie wir sie jetzt auch haben, sondern eine im übertragenen Sinn: Nicht nur sieben Wochen, — sondern ganz viele Monate ohne…

Zum Beispiel ohne eine regelmäßige sonntägliche Eucharistie. Oder ohne die bisherige Unterstützung von Hauptamtlichen. Ohne diese eine Wallfahrt, die doch immer so schön war. Ohne ein ordentliches Sommerfest. Ohne die alte Pfarreigrenze und ohne eigenen Kirchenvorstand. Ohne das Kirchgebäude, in dem Sie getauft wurden. Oder ohne Familien, die neu dazu kommen, bleiben und die Gemeinden mit Leben füllen.

Vielleicht sogar — und das macht mir am meisten Sorge — ohne Vertrauen, in das was wir Kirche nennen, was unser Auftrag ist und unsere Zukunft darin.

Ohne Vertrauen auf Christus, der sich doch all dem finden lassen will.

Ich habe das große Glück für ein Bistum zu arbeiten, dass sich den kleinen und großen Fragen nach der Zukunft der Kirche, den Fragen nach diesem Lila das ich eben beschrieben habe, zusammen mit einer Landeskirche stellt. Ich hatte ja schon erwähnt, dass mein Herz ökumenisch schlägt.

Das ökumenische Engagement ist aber nicht nur aus persönlichen Gründen notwendig, sondern theologisch unabdingbar. Dazu stehen wir in den Herausforderungen vor einer Zeitenwende, die es nur gemeinsam, als Christinnen und Christen anzugehen gilt. Das wird vor allem dann nachvollziehbar, wenn man sich die Drastik der Veränderung vor Augen hält, in deren Mitte wir uns befinden und die alles so lila werden lässt.

Ich habe Ihnen das einmal skizziert, weil ich glaube, dass dies die Grundlage unseres gemeinsamen Fragens sein muss. Wir müssen begreifen, was da passiert:

Sie sehen hier drei Generationen einer Familie.

Opa links, seine Tochter, die Mutter in der Mitte, Kind rechts.

Nehmen wir an die Enkelin/Tochter (zufällig in pink) steigt aus dem »laufenden Betrieb Kirche« aus. Die Kommunionvorbereitung hat zwar irgendwie noch stattgefunden, danach wurde es uninteressant. Keine Firmung und eine kirchliche Ehe konnte oder wollte sie nicht eingehen. Pilgern, das tut ab und zu ganz gerne. Spanien ist ja ganz schön. Aber zuhause gibt es nichts, das ihren Fragen und Formen, ihrer Sprache und ihrer Sehnsucht entspricht.

In der nächsten Generation findet nur noch eine teilweise Sozialisierung mit christlichen Werten und Inhalten statt. Die Taufe feiert man für das schöne Fest und um den Großeltern einen Gefallen zu tun. Aber das mit der Erstkommunion — das war schon viel zu aufwändig. Und parallel war sowieso Fußballtraining und am Wochenende die Spiele. Nach seiner ersten richtigen Lohnabrechnung erklärt der junge grüne Mann den Kirchenaustritt — natürlich um Steuern zu sparen.

In der nächsten Generation (blauer Junge) findet keine Taufe statt, der Bezug zu und die Relevanz christlicher Nachfolge haben sich nicht entfaltet. Was dazu führt, dass in der nächsten Generation

… keiner der Familienmitglieder getaufte Christin oder Christ ist. Innerhalb von vier Generationen bricht der familiäre Bezug zu Kirche vollkommen weg.

In der Mitte dieser, und vergleichbarer Entwicklungen stehen wir gerade, auch wenn das derzeitige deutsche Kirchenmitgliedschaft-System das noch gut verschleiert.

In anderen westlichen Gesellschaften, wie zum Beispiel in England wird klar, welche drastischen Entwicklungen Kirchen auch in Deutschland bevorstehen können. Dort muss man sich aktiv als Mitglied melden, die derzeitigen Zahlen sind eindeutig. Der Prozentsatz derer, die das tun ist im mittleren einstelligen Bereich. Im mittleren einstelligen Bereich landesweit.

Im Zuge dieser Entwicklungen unterziehen sich viele kirchliche Strukturen und Organisationen einer gewissen Form von — ich bleibe bewusst im Bild — Fastenexerzitien:

Landeskirchen und Bistümern an vielen Orten in Deutschland üben sich in neuen Haltungen, stellen nahezu alles auf den Prüfstand, lernen Verzicht. Und überdenken so ziemlich alles.

Die evangelische Kirche in Mitteldeutschland zum Beispiel übt in Erprobungsräumen neue Formen christlicher Nachfolge in Gemeinschaft. Man geht in die Plattenbauten und in die Dörfer, probiert sich in sozialem und diakonischem Handeln vor Ort und lernt mit den Leuten dort neu, wie Gebet und das Christsein heute geht. Das heißt auch in Kooperation mit anderen — anderen Konfessionen, anderen Vereinen, anderen Menschen. Man orientiert sich dabei an den konkreten Bedürfnissen der Leute. Wissen Sie, was die Menschen in den Gebieten Ihrer Gemeinden herum gerade am meisten brauchen?

Auch die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern ist nicht nur dem Logo nach ganz lila unterwegs: Sie will in einem Prozess von Profil und Konzentration »Zeugnis geben von der Liebe des Menschgewordenen Gottes«. Erinnern Sie sich an den Bibeltext? Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt… er tut das auch außerhalb von Gottesdienstzeiten und Kirchgebäuden. Daran arbeiten auch die Bayern.

In der rheinischen Landeskirche hat man seit Anfang des Jahres einen Synodenbeschluss vorliegen, der die Suche nach die Kirchgemeinden ergänzende Formen christlicher Gemeinschaft fördert. Es geht dabei darum, zu überlegen, wie Kirche außerhalb bestehender Strukturen wachsen kann, zum Beispiel in kleinen Ladencafés oder in Sportvereinen. Unabhängig von hauptamtlicher Beauftragung. Und der wichtigste Job scheint dabei der zu sein, nichts im Wege zu stehen.

Auch die Hannoversche Landeskirche, mit der ich zusammenarbeiten darf, bemüht sich um eine Verfassungsänderung, die neue Formen von Gemeinde und Kirche ermöglichen soll.

Das sind nur wenige Beispiele, die aber alle zeigen, dass nicht nur bei uns und in unserer Konfession Veränderungen anstehen und angegangen werden. In der evangelischen Struktur geht das vor allem durch die Veränderung des Gemeindebegriffs und anhand von konkreten Initiativen.

Im Katholischen Bereich nehme ich vor allem ganzheitliche Prozesse wahr, die wie hier bei Ihnen auch, vor allem aus der Beschäftigung mit weltkirchlichen Impulsen entstehen. Ob aus Frankreich, aus der Diaspora in Schweden oder Norwegen, aus Nordamerika, aus den Diözesen des globalen Südens. Oder in der Ökumene z.B. in England.

Die Deutung und Übertragung dieser Impulse findet mit unterschiedlichen Schwerpunkten statt:

Welche Visionen von Kirche haben wir, welche Kirchenbilder?

Was ist unser Auftrag als Christinnen und Christen in der Welt von heute?

Was hat unsere Stadt, unser Dorf davon, dass es uns gibt?

Wie hängt das alles mit den Strukturen zusammen, die wir schon haben?

Wie mit den Gebäuden?

Ist Kirche von Gebäuden abhängig, und wenn nicht, von was dann? Wie stärken wir Gaben und Charismen der Christinnen und Christen vor Ort? Was können Strukturen leisten, was muss zentral organisiert werden und wie kann konkretes christliches Leben vor Ort gefördert werden? Wie können unsere Strukturen in Zukunft aussehen und was bedeutet das für unser Verständnis von Leitung?

Manches was in den Bistümern passiert, trägt dabei die Überschrift der lokalen Kirchenentwicklung, so zum Beispiel in dem Bistum für das ich arbeite: in Hildesheim. Aber auch in Limburg, in Hamburg, in Osnabrück finden sich vergleichbare Prozesse. Verwandtes findet sich ebenso in Paderborn, in Köln und in Essen. Vieles andere muss unerwähnt bleiben.

All das soll Sie an dieser Stelle nicht erschlagen, sondern zeigen, dass dieses kirchliche Lila nicht nur bei Ihnen auftaucht. Wir erleben eine Zeitenwende in diesen Tagen, die es möglich und notwendig macht, eine Bestandsaufnahme zu wagen und Ausschau nach ermutigenden Beispiele an anderen Orten zu wagen.

In Deutschland zeigt sich, dass es viele Instrumente gibt, zum Beispiel aus der Pastoraltheologie, die dabei helfen, die Veränderungen anzugehen. Sie haben vielleicht schon einmal etwas von einer Milieutheorie gehört, die erklärt, warum es nicht sehr wahrscheinlich ist, dass Sie mit einem einheitlichen Gottesdienst alle Menschen in Ihrem Dorf oder Ihrem Stadtteil erreichen können. Dass es eine Vielfalt braucht. Und dass diese Vielfalt dafür sorgt, dass wir unserem Auftrag in der Gesellschaft gerecht werden.

Bei der Frage danach, wie wir uns verändern können, damit wir unserer Sendung entsprechend entwickeln, zeigen sich drei Schwerpunkte, die immer auch miteinander zu tun haben, und die auch Sie als ehrenamtlich Engagierte grundsätzlich im Blick haben:

Es geht darum darüber nachzudenken, wie Sie Kirche und Gemeinde verstehen und wie wir neu lernen können, das zu verstehen.

Sie werden feststellen, dass dies auch ein Nachdenken über die Rollenarchitektur beinhaltet. Also dass auch die Frage nach neuen Rollen für ehrenamtlich engagierte Christinnen und Christen gestellt werden muss.

Wenn sich Gemeinde auch unabhängig von Kirchgebäuden und Dienstplänen organisieren kann, wer macht dann was in Zukunft? Aus welchen Gründen? Und mit welcher Beauftragung? Wo, wann und mit wem?

Kirchenbilder und Rollenarchitektur wiederum verweist auf die Vollzüge kirchlichen Handelns, also das, worin sich Kirche und Gemeindeleben zeigt. Was macht Kirche, was macht Gemeinde? In einem Gottesdienst, einer Solidaraktion. Einem offenen Raum. Einer konkreten Präsenz von Ihnen als getaufte Christinnen und Christen, z.B. bei gesellschaftlichen Fragestellungen.

Nehmen wir dennoch ein sehr klassisches Beispiel, nämlich das der Erstkommunionkatechese: Versuchen Sie sich einmal die letzte Erstkommunionvorbereitung vorzustellen und zwar in dem Kontext, aus dem Sie kommen. Wie war der Ablauf? Wer war dafür verantwortlich? Warum? Was ist passiert, was ist nicht passiert, obwohl sie es erwartet oder erhofft hatten?

In welcher Form von christlicher Gemeinschaft werden die junge Familien ganz konkret hineingenommen? Ist das überhaupt für diese Familien verständlich, annehmbar, sinnvoll?

Würden sich Ihre Verwandten, Kinder und Enkel, oder Ihre Arbeitskollegen da wohl fühlen? Warum? Warum nicht?

Passt die Begleitung nicht nur zu den Kindern, sondern auch zu den Eltern, die vermehrt in diesem Zusammenhang zum ersten Mal bewusst wieder von Christus erfahren?

Wer zeichnet sich für die Begleitung verantwortlich, wer kann das überhaupt leisten?

Welches Verständnis der Eucharistie zeigt sich im praktischen Vollzug einer konkreten Vorbereitung?

Dies ist nur ein Beispiel von vielen. Ich könnte weitere nennen, zum Beispiel die Gremienwahlen oder Gottesdienstordnungen. Es ist das eine, sich diese Fragen zu stellen und zu merken, dass es eigentlich nicht mehr so richtig passt. Wenn wir ehrlich sind — und das ist man ja in der Fastenzeit. In der Lila Zeit.

Komplex wird es, wenn man dann in einem größeren Maßstab denken muss:

Wie gelingt es Bistümern, Dekanaten und Pfarrverbänden oder Großpfarreien diese Abläufe und Prozesse zu optimieren, so dass der Betrieb am Laufen und damit die aktuelle Form der kirchlichen Gestalt am Leben gehalten werden kann?

Vielleicht auch hier eine ehrliche Lila Frage: Kann das das Ziel sein? Ging es bei der Erstkommunion, bei der Eucharistie nicht ursprünglich mal um was anderes? Nämlich die Begegnung mit Christus?

Es ist Fastenzeit in der Kirche. Zeit der Umkehr. Dies alles ist das Lila, das ich heute morgen an den Anfang meiner Fragen gestellt habe.

Ich glaube es ist wichtig, dass wir uns dessen noch einmal bewusstwerden, um weiter zu fragen. Denn dabei soll und wird es nicht bleiben.

Wir wollten ja über das Rosa nachdenken.

Wie viel Weiß steckt in dem Rosa?

Das Rosa.

Das Rosa als Trotzdem.

Als Perspektive auf das Weiß.

Auf Ostern.

Das Rosa trotz dem Lila ab, dass es nicht um den Erhalt einer bestimmten Gestalt der Kirche geht. Und dass es auch nicht um den Erhalt der Kirche generell geht.

Es geht um den Auftrag Botschafterinnen und Botschafter des Reiches Gottes zu sein. Seiner alles verändernden Liebe. Die wir zu Ostern ganz besonders feiern.

Der Liebe, von der wir heute morgen im Bibeltext gelesen haben:

»Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat.«

Dieses Bewusstsein als Christinnen und Christen in der Welt von heute, ist Sendung an dem jeweiligen Ort Ihres Engagements. Dieses Bewusstsein für die Liebe Gottes formt Kirche jeden Tag neu.

Dieses, also auch Ihr Gesandt-Sein hat in Ihrer Taufe und Firmung seinen Ursprung in der Sendung Christi.

Genau in dem, was das Johannesevangelium beschreibt:

Gottes Liebe und Hingabe in dem Menschen Jesus.

Es ist eine Linie: In Ihrem Engagement zeigt sich Engagement Gottes, das in Jesus Christus eine besondere Form angenommen hat. Jede Ihrer Umarmungen im Engagement als getaufte Christinnen und Christen ist eine Umarmung, die die größte Umarmung der Welt spürbar machen kann.

Rosa lässt fragen, worauf wir eigentlich noch warten, denn diese eine Linie, diese Sendung ist es, die vor dem Kontext des Reich Gottes auch nach neuen Formen, nach Veränderung, nach einem Überprüfen des Bestehenden und nach dem Zulassen von Neuem fragt.

Fragen muss!

Weil Gott diese Welt geliebt hat und sie immer noch liebt, müssen wir uns fragen, wie das gehen kann, dass diese Liebe wieder spürbar wird.

Unter uns. In Gemeinden, Pfarreien, Dekanaten und Bistümern.

Mit den Schwestern und Brüdern anderer Konfession. Und in der Liebe zu den Menschen, zu denen wir gesandt sind. In unseren Dörfern und Stadtteilen aus denen Sie kommen.

Wenn sich Kirche von dieser Sendung und von diesem Auftrag her formt, sind wir aufgefordert dem Absoluten des Reich Gottes nachzugehen.

Und wir sind aufgefordert dem Lila etwas Weiß abzutrotzen und etwas davon in der Welt spürbar werden zu lassen.

Impulse von anderen Orten und Inspirationen wie sie heute zu hören sein werden, könnten dabei helfen, diese grundlegenden Werte freizulegen.

Ist Rosa nur etwas für kleine Mädchen?

Ja, wie sie jetzt seit etwa 20 Minuten merken, habe ich mich in den letzten Tagen ziemlich intensiv mit der Farbe Rosa beschäftigt. Auch mit Lila und mit Weiß.

Normalerweise ist das Rosa gar nicht meine Farbe. Ich bin ja auch eher ein Wintertyp, und Rosa ist vielmehr etwas für Sommertypen. Naja, und ich trage schon immer gerne eher kräftige, vor allem dunkle Farben.

Sie haben beim ersten Hören des Wortes Rosa vielleicht an Ihre Enkelin, Schwester, Cousine oder Tochter gedacht, die alles, was sie besitzt in der Farbe rosa haben muss. Schuhe, Socken, Mütze, Jacke, Tasche. Schulranzen. Fahrrad.

Ein an sich derzeit ziemlich gruseliger Trend, wie ich persönlich finde. Aber unabhängig davon, ist er alles andere als historisch. Denn: Was ich auch nicht wusste, bevor ich diesen Vortrag vorbereitet habe: Die Farbe Rosa ist nicht schon immer eine Farbe für kleine Mädchen.

Sie war ganz lange Zeit »das kleine Rot«, eine Farbe die vor allem für kleine Jungs war. Deswegen ist übrigens das Trikot des führenden Radfahrers beim Giro d’Italia auch rosa.

Was ich beim Lesen dieser geschichtlichen Entwicklungen gedacht habe: Ein bisschen ist es jetzt auch so mit den Rollen in der Kirche. Bestimmte Aufgaben haben immer die einen oder die anderen erledigt. Irgendwie war klar, dass die einen dies, und die anderen das tun.

Aber so wie sich verändern kann, dass diese eine bestimmte Farbe nur kleine Jungs tragen, genauso wird sich verändern, dass bestimmte Aufgaben durch die einen oder anderen wahrgenommen werden. In unserer Konfession gibt es bestimmte Rahmen, die dabei gesetzt sind, jedoch in diesen Rahmen ist vieles möglich und wird vieles möglich gemacht werden. Die Rollen werden sich verändern.

Neben diesen konkreten Veränderungen noch ein zweites: Dies alles betrifft jede und jeden. Unser Rosa heute morgen ist nicht nur für kleine Mädchen. Oder kleine Jungs. Sondern auch für Hauptamtliche. Für Gremienmitglieder. Für Küsterinnen. Für Pfarrer. Für Bildungsreferenteninnen. Für Tischväter. Und für Bischöfe.

Wir alle müssen uns dem Lila der Fastenzeit, der richtigen, aber auch der kirchlichen von der ich erzählt habe stellen. Dabei müssen wir Verantwortung neu verteilen und übernehmen, für die Aufgaben die nun auf uns zukommen (Sie erinnern sich an das Generationenbild!) und mit den Inspirationen, von denen wir heute noch hören werden.

John 3,16

Was also hat die Farbe Rosa also mit der Zukunft der Kirche zu tun?

Ich versuche es noch einmal zusammenzufassen:

1.

Das Lila ist wesentlicher Bestandteil des Rosa.

Jetzt ist Fastenzeit, in der sich Dinge verändern und klären.

Zum Beispiel welche gemeinsame Vision von Kirche Sie für Ihr Bistum diskutieren.

Die Frage ist dabei — wie immer, wie sehr wir den Dingen gerecht werden, über die wir trauern und deren Mangel wir spüren, wenn die Trauer und das Klagen Selbstzweck wird. Wenn wir die Trauer und das Fasten und das Lila vor uns hertragen.

2.

Das Weiß ist unsere Verheißung. Ist Ende und Neuanfang. Heißt Auferstehung. Wir blicken auf Ostern und dabei stecken wir noch mittendrin weit davon entfernt.

Doch auf Ostern vertrauen wir. Nicht nur in jedem Jahr zur Fastenzeit. Wir bekennen es und tragen als Christinnen und Christen dieses Bekenntnis in unserem Namen.

Glaube, Liebe und Hoffnung, die darin stecken machen aus dem Lila ein Rosa. Dieses Rosa wird zu einem Trotzdem und damit zur Farbgebung auch ehrenamtlichen Handelns. Das Rosa ist Auftrag und Sendung als Christinnen und Christen in der Welt. Eine Sendung, die Liebe Gottes in der Welt spürbar werden lässt.

3.

Dieses Rosa ist nicht nur für einzelne, wenige Auftrag und Berufung. Es ist Aufgabe für jede und jeden.

Dabei werden sich die Rollen verändern, und zwar so, dass Sie gemeinsam als Bistum Ihren Auftrag in der Welt mutig angehen können.

Dafür wünsche ich Ihnen alles Gute und Gottes Segen!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

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Maria Herrmann
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Written by Maria Herrmann

Thinking about futures. And eternity.

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